Mittwoch, 09.10.2019

Theateraufführung im Elisabeth-Tombrock-Haus

"HellerMann" immer auf der Suche nach Fagottnoten

Thomas Borggrefe öffnete mit seinem Stück "HellerMann" für nicht Betroffene die Gefühlswelt von Demenzkranken

Ahlen (AZ-rst). Wie denken, was fürchten und was wünschen sich Demenzkranke? Der Niederländer Thomas Borggrefe gab am Montagabend in seinem Ein-Mann-Theaterstück „HellerMann“ Einblicke in das Gefühlsleben der Betroffenen.

„Je mehr man über Demenz Bescheid weiß, desto besser ist es für Betroffene“, begrüßte Anne Böger, Sozialdienstleiterin des Elisabeth-Tombrock-Hauses, die Besucher. Dass die Information diesmal über ein Theaterstück laufe, sei umso besser. Das Seniorenzentrum hatte für den Abend in Kooperation mit dem Servicezentrum Alter und Pflege Region Münsterland und der Alzheimer-Gesellschaft im Kreis Warendorf die Räume zur Verfügung gestellt. Martin Kamps von der Alzheimer-Gesellschaft wünschte dementsprechend eine wirkende und nachhaltige Unterhaltung.

Schauspieler Thomas Borggrefe hatte das Theaterstück auf Grund vieler Begegnungen mit demenzkranken Menschen geschrieben. Er selbst spielt den 70-jährigen dementen Musiker Michael, der in früheren Zeiten als Fagottist im Orchester auf Konzertreisen gegangen war. Warum Thomas Borggrefe ausgerechnet einen Musiker als Figur geschaffen hat, wurde schnell deutlich. Musik spielt bei Betroffenen eine sehr große Rolle, wenn es um Erinnerungen geht.

Das Stück besteht inhaltlich aus Selbstgesprächen, in denen der Musiker Michael das Publikum an seinem Leben teilhaben lässt – bei Spaziergängen und Arztbesuchen, aber auch in Gesprächen mit seiner bereits verstorbenen Frau Anne. Dabei wechseln sich Passagen mit klarem sowie wirrem und vergesslichem Denken ab. „Ich habe keine Kopfschmerzen, ich bin sehr gesund“, ist so eine der Analysen seiner Befindlichkeit. Im Gespräch mit seinem Arzt gibt es eine weitere Analyse der Krankheit, als der Musiker diese als „Überfall aus heiterem Himmel“ bezeichnet. Verteufeln will Thomas Broggrefe die Krankheit aber nicht, er beschreibt sie auch liebevoll.

„Das Gedächtnis ist wie ein Sieb, das nur die schönen Stunden zurückhält“, verdeutlichte er, dass Betroffene von ihren Erinnerungen leben. Denn der Übergang vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis sei gestört. Die Suche nach Fagottnoten durchzieht das ganze Stück wie ein roter Faden und schnell wird deutlich: Betroffene suchen diesen Faden als Orientierung für ihr Leben. Wobei Musik eine entscheidende Rolle spielt. „Ich bin der, der ich bin – komm setze dich zu mir und bleib bei mir“, wünschte sich Michael schließlich die Geduld seiner Mitmenschen, sich nicht von ihm abzuwenden. Immer mit einer Symbolik im Hinterkopf: dass die Brücke des Schiffes nicht mehr besetzt ist.

Ahlener Zeitung (rst), 9. Oktober 2019